Bayerische Geschichte(n) 06/2011: Kaiserlicher Körperkult

Wenn Sisi nach Bayern an den Starnberger See reiste, kam sie meistens hier am Bahnhof von Possenhofen an.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Um Elisabeth von Österreich, Kaiserin „Sisi“, ranken sich bis heute Mythen und Legenden. Mit Sicherheit wissen wir wenig über sie. Bezeugt sind jedoch ihre Rastlosigkeit und Reiselust. So verbrachte sie ab 1870 auch insgesamt 24-mal Zeit am Starnberger See, genauer gesagt im idyllischen Badeort Possenhofen. Keineswegs jedoch, um dort Urlaub zu machen, sondern um ihr tägliches Fitnessprogramm zu absolvieren. Nur 50 kg soll Sisi, einst als „schönste Frau der Welt“ bezeichnet, gewogen haben und die wollte sie um jeden Preis halten.

Sisis Haarpracht – ihr ganzer Stolz – soll „fersenlang“ gewesen sein und ihre Pflege nahm teilweise bis zu einem Tag in Anspruch.

Als frühes Opfer von Jugendwahn und Körperkult bringt Sisi deshalb neben ihrem 60-köpfigen Gefolge und ihren Lieblingspferden ihre komplette Turnhalle mit: Ihre Ringe, Sprungmatten und Klettergerüste finden Verwendung in einem eigens eingerichteten Turnraum. Dort ertüchtigt sich Sisi mehrere Stunden lang mit Fechtübungen und Krafttraining. Anschließend begibt sie sich auf Gewaltmärsche am Seeufer und schwimmt große Runden im tiefblauen See. Während sich ihr Gefolge abends am umfangreichen kredenzten Menü, das man noch heute im „Hotel Elisabeth“ nachempfinden kann, satt isst, lässt die Kaiserin ihre Teller unangerührt. Stattdessen legt sie sich die Kalbsschnitzel nachts roh aufs Gesicht – das soll angeblich der Schönheit dienen!

Das Schloss Possenhofen, Sisis Sommerresidenz am Starnberger See, bescherte Sisi und ihren Geschwistern eine unbeschwerte Kindheit.

Peinlich genau achtet sie auf ihr Äußeres und lässt sich ihre 57 cm umfassende Wespentaille abschnüren. Um weiter Gewicht zu sparen, trägt sie keine Unterröcke, sondern – damals ein Skandal! – feine Unterhosen. Doch all das ist nicht umsonst: Ihr Cousin, König Ludwig II. von Bayern, der mit Sisis Schwester Sophie verlobt war, findet Gefallen an ihr und es entspinnt sich eine heimliche Liebelei zwischen den beiden Schöngeistern. Während ihrer Friseursitzungen – ihr wallendes Haar soll schon allein 4,5 kg gewogen haben – dichtet Sisi liebevolle Briefe an Ludwig, die sie ihm auf der romantischen Roseninsel in einem Sekretär zurücklässt und auf seine glühenden Antworten wartet.

Auf der idyllischen Roseninsel trafen sich Ludwig und Sisi des Öfteren oder sie tauschten heimlich Briefe aus.

Ein schwerer Schlag dann, als Sisi 1886 die Nachricht von Ludwigs Tod erhält. Am Boden zerstört, legt sie ihm ein Jasminsträußchen aufs Grab … Neben Sisi wussten noch einige andere prominente Gäste die beschauliche Gegend am Starnberger See zu schätzen: Im Laufe der Jahrhunderte machten hier Orlando di Lasso, König Maximilian II., sein Sohn Ludwig II., der Komponist Johannes Brahms bis hin zu Karl Valentin Station. Christian Tramitz liest kurzweilige und unterhaltsame kleine Geschichten, untermalt mit klassischer Musik von Bach, Mozart, Wagner und anderen.