Bayerische Geschichte(n), 4/2018: Teach-Ins, Happenings und blutige Ostern

Ein „Sit-in“ am Stachus (Foto: Stadtarchiv München)

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor 50 Jahren war München in Bewegung, ja sogar in Aufruhr! 1968 marschierten Studenten auf den Straßen der Landeshauptstadt, um ihren Forderungen nach Veränderungen in Politik und Gesellschaft Gehör zu verschaffen. Mit provokanten Sprüchen wie „Haut den Huber in den Zuber!“ – gerichtet gegen den bayerischen Kultusminister Dr. Ludwig Huber – oder „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ verbreiteten die Studenten ihre Botschaften. „Sit-ins“ und „Teach-ins“ wurden zu neuen Formen des Widerstands, der auch vor dem Münchner Rathaus keinen Halt machte: Studentenvertreter von über 100 deutschen Hochschulen folgten der Einladung der Stadt München zu einem Empfang. Anstatt allerdings bei Häppchen und Wein friedlich Smalltalk zu führen, setzten sich einige der Studenten auf den Boden und forderten die anwesenden Honoratioren an Ort und Stelle zur ernsthaften Diskussion auf. Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel ging auf das Angebot ein und signalisierte sogar Verständnis für die Anliegen der jungen Leute.

Eine der bekanntesten Figuren der Studentenbewegung war der Berliner Kommunarde Fritz Teufel. Hier als Akteur des „Anti-Olympischen-Komitees“ auf einem beliebten Poster der damaligen Zeit (Foto: Wolfgang Roucka)

Neben Demonstrationen verstanden es die Studenten, auch auf kreative Weise ihre Meinung kundzutun. Mit sogenannten „Happenings“ störten sie die öffentliche Ordnung. So unterbrach eine Gruppe von Studenten um Heinz Koderer und Alois Aschenbrenner bekleidet mit Polizeiuniformen Vorlesungen an der Ludwig-Maximilians-Universität, um gegen die Anwesenheit von Spitzeln und Polizisten an der Hochschule zu protestieren. Auch vor Gericht traten sie in Uniform auf und machten sich über die Obrigkeit lustig. Zu dieser Art von Protesten hatte sie Fritz Teufel inspiriert, der zu den tonangebenden Figuren der Bewegung zählte und mit seinen Methoden, die er als Spaßguerilla bezeichnete, für Aufmerksamkeit sorgte. Doch das Wort als Waffe reichte vielen nicht aus, bald flogen die ersten Steine und Scheiben wurden eingeschlagen, um die Öffentlichkeit aufzurütteln.

Hans-Jochen Vogel auf einer Kundgebung auf dem Königsplatz, bei der der Oberbürgermeister Punkt für Punkt die Fragen eines Studenten zum Einsatz der Polizei bei den Anti-Springer-Demonstrationen beantwortete (Foto: SV-Bilderdienst, Hans Enzwieser).

Ausgelöst durch das Attentat auf Rudi Dutschke vom 11. April in Berlin kam es auch in München zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei und zu Krawallen auf den Straßen. An Ostern erreichte die Studentenrevolte schließlich ihren blutigen Höhepunkt: Vor dem Springer-Haus in der Schellingstraße versammelten sich am Karfreitag die Studenten und stellten sich den mit der neuesten Ausgabe der Bild-Zeitung vollbeladenen Lastwagen in den Weg, um die Auslieferung des Blatts zu verhindern. Erst ein Wasserwerfer konnte die Blockade auflösen. Doch das schüchterte die jungen Leute keineswegs ein. Am Ostermontag erschienen rund 2.000 Demonstranten vor dem Verlagsgebäude. Die Polizei griff rigoros ein. In dem Chaos wurden der 32-jährige Fotoreporter Klaus Frings, der für die amerikanische Agentur AP arbeitete, und der 27-jährige Student Rüdiger Schreck so schwer am Kopf verletzt, dass beide nur Tage später verstarben. Bis heute sind die genauen Todesumstände nicht geklärt.

2008 veröffentlichte der Journalist Karl Stankiewitz, der über 50 Jahre lang als München-Korrespondent bei verschiedenen Zeitungen und Rundfunksendern arbeitete und die damaligen Ereignisse hautnah miterlebte, erstmals seine ausführlichen Berichte über die Studentenproteste im Jahr 1968. Jetzt – pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum – erscheint „München 68. Traumstadt in Bewegung“ auch als Taschenbuchausgabe.

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