Bayerische Geschichte(n), 26/2015: Die wunderbaren Wunderjahre

Liebe Leserin, lieber Leser,

Das Warten gehörte ebenso zu den Telefonzellen wie ihr typischer Geruch. (Foto: timeline images)
Das Warten gehörte ebenso zu den Telefonzellen wie ihr typischer Geruch. (Foto: timeline images)

Telefonzellen? Das waren diese gelben Häuschen mit öffentlichen Münzfernsprechern, in die man 20 Pfennig einwerfen musste, um dann stundenlange Ortsgespräche führen zu können. Telefone für unterwegs sozusagen. Schallgeschützt das Ganze übrigens. Ab den 1920er Jahren gehörten Telefonhäuschen mit Münzfernsprechern zum vertrauten Bild öffentlicher Plätze und Straßen, ab 1946 waren sie überall in Deutschland gelb. „Fasse dich kurz! Nimm Rücksicht auf Wartende“ stand auf den Schildern, die bis in die 1970er Jahre in den Telefonhäuschen hingen. Angeblich sollen die wind- und regengeschützten Häuschen aber nicht nur zum Telefonieren benützt worden sein, sondern auch beliebte Treffpunkte gewesen sein. Als die Telekom ihre Farbgebung Mitte der 1990er Jahre auf Weiß-Grau-Magenta umstellte, da waren die Telefonzellen ohnehin schon längst dem Untergang geweiht.

Beschauliche Zeiten in Riem mit Café am Rand des Rollfelds (Foto: timeline images)
Beschauliche Zeiten in Riem mit Café am Rand des Rollfelds (Foto: timeline images)

Telefonzellen gehören zu den Dingen, die auch in München längst aus dem Stadtbild verschwunden sind. Verschwunden sind auch die bezaubernden buntgestreiften Sonnenschirme ganz ohne Brauerei-Werbung, die es früher in allen Biergärten und Straßencafés gab. Und verschwunden ist sogar der ganze Flughafen München Riem, wo man noch bis weit in die 1960er Jahre direkt am Rand des Rollfelds Kaffee trinken konnte. Dazu gab es Mokkatorte, Biskuitroulade und Fürst-Pückler-Eis. Vielleicht sogar Toast Hawaii und Spargelröllchen? Jedenfalls bestaunte man die schöne neue Welt der Technik, denn bereits wenige Jahre nach der großen Katastrophe des Zweiten Weltkriegs boomte die westdeutsche Wirtschaft wieder. Das Leben war endlich wieder schön und bunt.

Überall in der Stadt wurden die Straßen für den U-Bahn-Bau aufgerissen. (Foto: Bernhard Möllmann)
Überall in der Stadt wurden die Straßen für den U-Bahn-Bau aufgerissen. (Foto: Bernhard Möllmann)

Am nördlichen Stadtrand entstand Ende der sechziger Jahre mit dem Olympiastadion von Günter Behnisch eine geradezu utopische Architektur. Aber auch in der Innenstadt kündigte sich die Olympiade von 1972 vor allem durch Baustellen an: Kaum waren die schlimmsten Kriegsschäden beseitigt, wurden auch schon wieder die Straßen für den U-Bahn-Bau aufgerissen. 1971 wurde als erste Linie die U 6 eröffnet. Bis heute sind jedem Münchner die verschiedenen farbigen Keramikplatten und die unterschiedlichen Pfeilerformen an ihren Bahnhöfen ein Begriff: gelb an der Poccistraße, grün am Goetheplatz und blau am Sendlinger Tor. Wer hinter diesem ausgeklügelten Farbsystem steht, das wissen wohl die wenigsten: Es war der Architekt Paolo Nestler, der zur Eröffnung der Münchner U-Bahn 1971 ein modernes Gestaltungskonzept mit leicht identifizierbaren Kennzeichen an den einzelnen Station entwickelt hatte – ein ästhetisches Spiel, dem die Münchner U-Bahnbauer bis heute folgen.

Das München-Album vereint persönliche Erinnerungsfotos und Aufnahmen von dokumentarischem Wert. Es ist eine Zeitreise in Bildern. Als kundiger Reiseleiter fungiert der Zeitzeuge Gerd Holzheimer, der in einem literarischen „Erinnerungstagebuch“ der Frage nachgeht, wie man denn eigentlich Achtundsechziger wird.

[catalog-product id=“13652″]