Bayerische Geschichte(n), 11/2018: Liebe, List und Zauberei

Ein Happy End für Prinzessin und Prinz? (Zeichnungen: Peter Engel)

Liebe Leserin, lieber Leser,

in den Texten des Märchensammlers Franz Xaver von Schönwerth zum Thema Liebe, Verführung, Herzschmerz und Versöhnung sind es oft die weiblichen Figuren, mutige Heldinnen und clevere Kämpferinnen, die groß rauskommen: Sie beweisen Treue und Tugend, verrichten im Bettelgewand niedere Arbeit oder geben ihr letztes Hab und Gut, um einen geliebten Menschen zu befreien. Sie erkennen den verloren geglaubten, längst entfremdeten Gatten am kleinsten Detail. Sie sind es, die sich wilden Wölfen und dämonischen Bilmesschneidern entgegenstellen – wobei die durch so viel Courage plötzlich entflammten Verehrer fast ebenso schwer abzuwehren sind. Und auf der Suche nach Abenteuer und Erlösung oder wegen eines gebrochenen Herzen wandern sie so weit, dass ihre Männer sogar eiserne Schuhe durchlaufen, um ihrer großen Liebe zu folgen …

Der Prinz und der wilde Mann aus den Wäldern

Geradezu modern geht es in einigen der Liebesmärchen zu – zum Beispiel, wenn die drei Prinzessinnen eines fernen Königreichs sich in „König Goldhaar“ ihren Bräutigam selbst aussuchen dürfen, anstatt als „Heiratsware“ an den politisch oder pekuniär meistbietenden Prinzen verschachert zu werden. Die jüngste der drei stemmt sich dabei nicht nur gegen ihren Stand, sondern beweist auch ein sehr gutes Händchen, als sie den vermeintlichen Gärtner des Schlossparks erwählt. Bei diesem handelt es sich nämlich um einen Prinzen im Exil, von zu Hause verstoßen, weil er einst dem wilden Mann aus den Wäldern verbotene Hilfe geleistet hat. Lange leben die Prinzessin und ihr Gärtner glücklich zusammen in ihrem Gartenhäuschen, doch dann bricht Krieg aus und das junge Paar muss sich bewähren.

Mit Siebenmeilenstiefeln um die Welt – auf der Suche nach der großen Liebe

Gärtner und Prinzessinnen scheinen gut zusammenzupassen: Das Märchen „Wie der Gärtnerssohn die schöne Prinzessin gewann“ erzählt die Erfolgsgeschichte einer Liebe, die mitternächtlichen Geisterspuk, böse Flüche, Standesschranken und – die schlimmste Heimsuchung von allen – missgünstige Edelleute überwinden muss. Ein Ball voller gekränkter Damen und eifersüchtiger Ritter wird dem Paar zum Verhängnis und die plötzliche Trennung scheint endgültig zu sein. Welch ein Glück, dass der verlassene Gärtner durch List drei Zauberdinge erwerben kann. Mithilfe eines Beutels, der sich immer wieder mit Goldstücken füllt, eines Mäntelchens, das unsichtbar macht, und nicht zuletzt mit einem prächtigen Paar Siebenmeilenstiefel wird das Kunststück, die Geliebte zu finden und zurückzuerobern, doch zu schaffen sein!

Lassen Sie sich vom Zauber des mythischen, urwüchsigen Bayern einfangen: Unsere Neuerscheinung „Das rote Seidenband“ vereint die 30 schönsten bayerischen Liebesmärchen aus der Sammlung Schönwerth. Die Herausgeberin Erika Eichenseer hat die mal hinreißend romantischen, mal kraftvollen und naturnahen Texte ausgewählt, sanft bearbeitet und mit Informationen zu Herkunft und Bedeutung der Märchen versehen. Charaktervolle Zeichnungen des Künstlers Peter Engel verleihen dem Buch den letzten Schliff.