Bayerische Geschichte(n), 01/2016: Wann da Maschkera will, muss as Deandl mit eam tanzn

Schellenrührer im „Münchnerkindlgwand“: Die Versorgungslage der einheimischen Bevölkerung war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg schlecht – wie man an diesen furchterregenden mageren Gestalten unschwer erkennen kann. Aber die Werdenfelser hielten trotzdem an ihrem Brauch fest und kleideten sich mit dem, was greifbar war. (Foto: Privatbesitz M. Ostler, Grainau)
Schellenrührer im „Münchnerkindlgwand“: Die Versorgungslage der einheimischen Bevölkerung war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg schlecht – wie man an diesen furchterregenden mageren Gestalten unschwer erkennen kann. Aber die Werdenfelser hielten trotzdem an ihrem Brauch fest und kleideten sich mit dem, was greifbar war. (Foto: Privatbesitz M. Ostler, Grainau)

Liebe Leserin, lieber Leser,

jetzt ist es wieder so weit: In Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen, aber auch in kleineren Ortschaften wie Farchant und Grainau sind die Maschkera unterwegs. Die Werdenfelser Fasnacht mit ihren uralten Ritualen beginnt nach Heiligdreikönig. Vor hundert Jahren allerdings, im Winter 1915, hatte man das Maskengehen wegen des Ersten Weltkriegs ganz verboten. Aber schon 1919 musste sich der Garmischer Magistrat wieder mit den wilden Umtrieben der „Fosenacht“ beschäftigen: „Wenn auch nicht verkannt wird, dass das zur Zeit übliche Maskengehen an groben Unfug grenzt, so ist doch zu berücksichtigen, dass keine Handhabe vorhanden ist, diesem Unfug gründlich zu Leib zu gehen. Die Schutzleute allein sind gegen die umherziehenden Masken, welche meistens in einer Anzahl von 20 und mehr Mann geschlossen gehen, machtlos.“

„Wann da Maschkera will, muass as Deandl mit eam tanzn“: Auch beim Tanz im Wirtshaus geben die Maschkera ihre Identität nicht preis und schon manch eine Mittenwalderin hat mit ihrem eigenen Mann getanzt, ohne ihn zu erkennen. (Foto: Dirk Eckert)
„Wann da Maschkera will, muass as Deandl mit eam tanzn“: Auch beim Tanz im Wirtshaus geben die Maschkera ihre Identität nicht preis und schon manch eine Mittenwalderin hat mit ihrem eigenen Mann getanzt, ohne ihn zu erkennen. (Foto: Dirk Eckert)

So wild das Fasnachtstreiben auch ist, beim abendlichen Betläuten ist es vorbei. Wer danach noch seine Maske trägt, dem wächst sie so ans Gesicht, dass er sie sein ganzes weiteres Leben nicht mehr ablegen kann – so zumindest erzählte man es früher den Kindern. Die Maschkera lassen es aber gar nicht darauf ankommen. Sie verschwinden rechtzeitig, denn sie wollen auf jeden Fall unerkannt bleiben. Nicht erkannt werden, das ist das Wichtigste beim Maschkera gehen. In den alteingesessenen Familien werden deshalb die seit Jahrhunderten weitergegebenen, kunstvoll  geschnitzten Holzlarven sorgsam versteckt. Nur zur Faschingszeit werden sie aus ihren Truhen geholt und mit den dazugehörigen alten Gewändern getragen.  Weil man sich aber untereinander kennt, muss der Maschkera auch seinen Gang, sein ganzes Benehmen und seine Stimme verändern. Ein echter Werdenfelser Maschkera spricht nicht, er „raunzt“ mit kehligen Lauten und hoher Falsettstimme.

Die Partenkirchner „Untersberger“ treten immer als Paar auf. Sie tragen riesige Stopselhüte und übergroße Larven, einer tritt in kurzen Lederhosen als Manderl und einer in einem schwarzen Faltenrock als Weiberl auf. Die Masken werden vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen aufbewahrt und angelegt. (Foto: Bernt Haberland)
Die Partenkirchner „Untersberger“ treten immer als Paar auf. Sie tragen riesige Stopselhüte und übergroße Larven, einer tritt in kurzen Lederhosen als Manderl und einer in einem schwarzen Faltenrock als Weiberl auf. Die Masken werden vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen aufbewahrt und angelegt. (Foto: Bernt Haberland)

Am Unsinnigen Donnerstag, am Fasnachtssonntag und am Fasnachtsdienstag ist in Mittenwald und in den beiden Ortsteilen Garmisch und Partenkirchen alles auf den Beinen. An bestimmten Tagen aber wird man keinen einzigen Maschkera treffen: An den sogenannten „halbheiligen“ Tagen  Mittwoch, Freitag und Samstag ist es ihnen verboten, sich zu zeigen. Auch am  Lichtmess- und am Blasiustag, also am 2. und 3. Februar, ist das Fasnachtstreiben seit alters her untersagt. In Mittenwald gehört auch der Agathentag, an dem im Jahr 1830 ein großer Marktbrand stattfand, und in Partenkirchen die Sebastians-Octave (ab dem 20. Januar und acht Tage danach) zum Gedenken an die schwere Pest im Jahre 1634, zu den Ruhezeiten. Zu den strikten Regeln der Fasnacht gehört es bis heute, dass der Maschkera andere „derblecken“ und sie wegen ihrer Verfehlungen im zurückliegenden Jahr rügen darf. Sein Urteil mag noch so hart sein, niemand wird es wagen, ihm deshalb die Maske vom Gesicht zu reißen.

Die Geschichte der Werdenfelser Fasnacht reicht viele Jahrhunderte zurück. Dem „Wahlmittenwalder“ Dirk Eckert ist es gelungen, eine Vielzahl der wertvollen alten Larven aus Privatbesitz zu fotografieren. Ergänzt um die bisher umfangreichste Zusammenstellung schriftlicher Quellen und historischer Fotos legt er jetzt das Standardwerk zur Werdenfelser Fasnacht vor.