Münchner Geschichte(n), 01/2013: Crayons, Candy und bayerische „Gemutlichkeit“

Amerikanische GIs entfernen kurz nach ihrem Einmarsch 1945 alle sichtbaren Symbole des NS-Regimes in München.

Liebe Leserin, lieber Leser,

fast fünfzig Jahre zeigte die amerikanische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg Präsenz in München, und doch verblasst die Erinnerung an diese Zeit zusehends. Viele wissen nicht mehr, dass im Münchner Süden ganze Stadtviertel von den Amerikanern beschlagnahmt, Siedlungen hochgezogen und Straßenläufe verändert wurden. Heute sind diese Spuren der „Amis“ in Giesing, Harlaching und Ramersdorf noch zu sehen: Zum Beispiel die ehemalige McGraw-Kaserne und der McGraw-Graben, die Siedlung am Perlacher Forst und die ehemalige amerikanische „Housing Area“ an der Claudius-Keller-Straße.

Kinder in einem Münchner Flüchtlingslager erhalten Spielsachen von Amerikanern, 1949.

Als 1945 die ersten amerikanischen Panzer durch München rollten, konnte die Zivilbevölkerung kaum ahnen, dass das zunächst gespannte Verhältnis zur fremden Besatzungsmacht schon bald in gegenseitige Partnerschaft und schließlich vielerorts in Freundschaft umschlagen sollte. Das bemerkten als erste die Münchner Kinder, die von den GIs freigiebig mit „chewing gum“, „candy“ und „crayons“ beschenkt wurden. „Mei, die ‚butterfinger’ warn des Größte!“, erinnert sich eine Zeitzeugin aus Giesing, die als Vierjährige Süßigkeiten vor der McGraw-Kaserne erhielt. Viele dieser Kinder erlebten später ihre Teenagerzeit in den „Ami-Clubs“, tanzten Rock’n’Roll und aßen Hamburger auf dem „Little Oktoberfest“.

Cheerleader der Munich American High School bei einem Footballspiel auf dem Athletic Field an der Säbener Straße, 1966.

Mit den „Amis“ zog also ein ganz neues Lebensgefühl nach München, das im Boom der Wirtschaftswunderjahre auch die Deutschen ergriff. Man hörte den US-Radiosender AFN, der Giesinger Max Greger stieg zu einem gefeierten Jazz-Star auf und in den Hinterhöfen im Münchner Süden probierten die Buben nun auch American Football oder Baseball. Doch wurde das friedliche Zusammenleben von politischen Krisen überschattet: Der Mauerbau, die Kuba-Krise und der Vietnamkrieg versetzten die amerikanischen Truppen in München zeitweise in Alarmbereitschaft, Sicherheitsmaßnahmen wurden massiv verschärft und der Kontakt zur deutschen Bevölkerung eingeschränkt.

Wie es anfing, hört es auf: Inszenierte Abschiedsfeier amerikanischer GIs auf dem Marienplatz im Jahr 1992.

Erst im Jahr 1992 zog das letzte amerikanische Truppenkontingent aus München ab. Die deutsche Wiedervereinigung markierte das Ende des Kalten Krieges und damit auch das Ende der „Amis“ in Giesing. Die Historiker Karin Pohl und Willibald Karl begaben sich auf eine spannende Spurensuche, um in ihrem Buch „Amis in Giesing. München 1945 – 1992“ die Erinnerung an die Amerikaner in München wachzuhalten und ihre Geschichte neu zu dokumentieren. Mit Beiträgen von Elvira Auer, Willi Hanseder und Thomas Hauzenberger.