Münchner Geschichte(n) 2/2010: Hope

Liebe Leserin, lieber Leser,denken Sie auch manchmal darüber nach, wie unser Alltag, unsere Politik, die Gesellschaft, in zwanzig Jahren aussehen könnten? Dann wissen Sie, wie schwierig es ist, nur zwanzig Jahre voraus zu denken. Umso beeindruckender, wenn Überlegungen und Lebensentwürfe einer Person noch nach hundert Jahren frisch und modern wirken und wir beschämt eingestehen müssen, dass wir immer noch nicht so weit sind.
Hope Bridges Adams-Lehmann, 1896
(Fotos: Monacensia Literaturarchiv und privat).
PraxisDas bisher früheste Bild einer deutschen Ärztin in ihrer Praxis: Hope in ihrem Sprechzimmer in München, 1901. So geht es einem mit der Ärztin Dr. Hope Bridges Adams Lehmann (1855-1916): Sie plante um 1900 in München einen bilingualen Kindergarten, mit dem sie das Konzept heutiger Europaschulen vorwegnahm; sie entwarf ein revolutionäres Frauenkrankenhaus mit flachen Hierarchien, einer Aufhebung starrer Besuchszeiten, mit Geburtszimmern, und Müttergenesungsabteilung; sie war mit Politikern wie August Bebel, Clara Zetkin oder sogar Lenin befreundet und mit Schriftstellern wie Franz Blei oder Richard Dehmel.
Wer war Hope Adams Lehmann? Sie stammte aus London und war die Tochter eines Mannes, der bereits in den 1830er Jahren für Frauenrechte eintrat. Er war Publizist, aber auch Ingenieur, und beschrieb genau die Geschirrspülmaschinen, Schuhputzmaschinen und Warmwassersysteme, mit denen er die Hausarbeit erleichtern und so die Frauen von ihr befreien wollte. Seine Tochter Hope stand ihm nicht nach: Ein viertel Jahrhundert bevor dies offiziell möglich war, studierte sie in Leipzig Medizin und machte sogar ein reguläres Staatsexamen. Das galt zwar damals noch nicht, es wurde aber 1904 vom deutschen Bundesrat als einziger derartiger Fall nachträglich anerkannt. Hope war damit die erste, die in Deutschland ein medizinisches Examen abgelegt hatte. Nach Stationen in Frankfurt und Nordrach praktizierte sie seit 1896 in München. Hope beim Autofahren
Hope beim Autofahren – Hope nahm ihr Leben, privat und beruflich, selbst in die Hand.
Das Frauenbuch Bereits in ihrem Gesundheitsratgeber von 1896, dem „Frauenbuch“, machte sie Vorschläge, die den Frauenalltag revolutionierten. Und Hope lebte ihre Ideen auch selbst: Als geschiedene und wieder verheiratete Mutter mit zwei Kindern, als Schul- und Krankenhausreformerin, als Publizistin und Armenärztin. Hope Adams Lehmann war ein besonderer Mensch, visionär, mutig, unkonventionell. Ihr Leben wäre selbst heute noch außergewöhnlich, Vor hundert Jahren war es revolutionär.
Hope schrieb einen vielgelesenen Gesundheitsratgeber für Frauen: „Das Frauenbuch“.
  • Hope
    ISBN: 978-3-86222-240-7
    16,90