Münchner Geschichte(n) 14/2010: Ein Bauerndorf wird Künstlerkolonie

 

Im mittleren der drei Häuser mit dem großen Fenster im Dachgeschoss wohnte und arbeitete der Künstler Ernst Liebermann (Malsenstraße Ecke Henrik-Ibsen-Straße), Aufnahme 1907.

Liebe Leserin, lieber Leser,
von Anfang an war die Siedlung Gern maßgeblich geprägt von der dort ansässigen Kunstszene – ein Ruf, von dem der gleichnamige Münchner Stadtteil bis heute zehrt. Wer weiß dagegen noch von den vier Bauernhöfen, die ursprünglich das Dorf Gern bildeten? Mit der Villenkolonie, die Jakob Heilmann in den 1890er Jahren errichtete, änderte sich alles. Gern wurde Künstlerkolonie.

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Hier das Atelier von Hans Hammer um 1900. Auf der Staffelei links ein Portrait des Kunsthistorikers Dr. Eckkhart, rechts Hammers Bild "Blick ins Unendliche".

An die 50 Häuser rund um die Gerner Straße verfügten über gut ausgebaute Dachbodenateliers und repräsentative Ausstellungsräume; großflächige Fensterausbauten nach Norden hin garantierten gleichmäßige Lichtverhältnisse und verrieten den auf den Gerner Straßen Flanierenden oft, hinter welchen Hausfassaden Kunstmaler oder Bildhauer fleißig zu Werke gingen.

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Rudolf Maison in seinem Atelier, unter seinem Reiterstandbild Kaiser Friedrichs, 1903.

Bis ins Jahr 1930 lassen sich ca. 400 Künstler in Gern nachweisen, die berühmtesten unter ihnen sind wohl Thomas Theodor Heine, Julius Adam, Ernst Liebermann und Peter von Halm. Überliefert sind zahlreiche Portraits der Kunstschaffenden aus jener Zeit. Die Bilder sollen gut situierte Bürger zeigen, die es zu etwas gebracht haben. Keine Schnappschüsse von „men at work“, sondern repräsentative Arrangements in ordentlich ausstaffierten Räumen, die Künstler im Sonntagsstaat vor einer Auswahl ihrer Werke sitzend.

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Das Wohnhause des Malers Philipp Röth wurde nach Kriegszerstörung durch einen Neubau ersetzt, Postkarte 1930.

Das Stadtarchiv München verfügt über einen umfangreichen Bildbestand, der den baulichen und strukturellen Umbruch Gerns in den Jahren 1850 bis 1920 dokumentiert. Weitestgehend zum ersten Mal werden diese Bilder nun in der Publikation „Gern“ veröffentlicht, die Texte stammen vom Historiker Helmuth Stahleder. In der Reihe „Zeitreise ins alte München“, herausgegeben vom Stadtarchiv München, ist bereits der Band „Sendling“ erschienen.