Bayerische Geschichte(n) 12/2011: Unbekanntes Mittelbayern

Die Gredinger Stadtmauer – hier mit St. Martin – lässt sich komplett abwandern. In ihrem Kern reicht sie ins 14. Jahrhundert zurück, zusammen mit ihren drei Stadttoren und 20 Türmen ist sie weitestgehend erhalten.

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist Samstagmorgen, die Sonne scheint, man hat frei und plant einen Ausflug. Wieder einmal fällt die Wahl auf die Alpen. Doch kaum ist man auf der Autobahn, bleibt man im Stau stecken und muss einsehen, dass Tausende andere die gleiche Idee hatten. – Dabei wäre eine attraktive Alternative so nah gewesen: Die A9 zwischen Ingolstadt und Nürnberg ist um diese Zeit zumeist frei und führt in eine Region Bayerns, die mehr zu bieten hat, als man sich in den umgebenden Großstädten Nürnberg, München, Regensburg oder Ingolstadt vorstellen kann. So zum Beispiel das bei der Ausfahrt 57 am Berghang gelegene Städtchen Greding mit seiner wahren Fülle an unbekannten Sehenswürdigkeiten.

Die Gredinger Martinskirche ist eine der wenigen erhaltenen romanischen Basiliken Bayerns. Im Bild zu sehen ist das südliche Seitenschiff.

Durchschreitet man Gredings fast vollständig erhaltene mittelalterliche Wehrmauer, erreicht man nach Kurzem den historischen Marktplatz: ein einladendes Ensemble aus barockem Rathaus, dem fürstbischöflichen Jagdschloss, dem Jagdhaus und einem Gasthof. Beinahe fünf Jahrhunderte regierten im Jagdschloss die Eichstätter Fürstbischöfe als Stadtherren. Zahlreiche stattliche Bürgerhäuser künden von dem frühen Wohlstand Gredings am Kreuzungspunkt dreier Handelswege und lassen den Besucher Ort und Zeit vergessen.

Die Gebeine von 2.500 im 14. und 15. Jahrhundert Verstorbenen ruhen im Untergeschoss der Michaelskapelle, dem Karner. „Was ihr jetzt seid, das waren wir. Was wir jetzt sind – werdet ihr“. Die Vergegenwärtigung der Vergänglichkeit findet sich als Leitspruch über dem Gewölbe.

Doch es lohnt sich weiterzugehen, vorbei an der Stadtpfarrkirche St. Jakob führt der Weg zunehmend steiler bergauf. Auf einer Anhöhe, mit einem weiten Blick über den Ort und die anmutige Landschaft, präsentiert sich majestätisch St. Martin, eine der besterhaltenen romanischen Kirchen Bayerns. Im 12. Jahrhundert errichtet, beeindruckt den Besucher heute noch der massive Baukörper; der Innenraum dagegen strahlt mit den wohlgeformten Bogenreihen Ruhe und Erhabenheit aus. Teils freigelegte und restaurierte Fresken aus drei Jahrhunderten zieren die Wände, darunter – aus dem 15. Jahrhundert – der Namenspatron St. Martin, auf einem Schimmel reitend. Auch Teile des Hochaltars gehen auf diese Zeit zurück.

Ganz in der Nähe von Greding finden sich die Sinterterrassen im Kaishaimer Tal, ein Naturdenkmal von solcher Unberührtheit und Schönheit, wie es selbst in der an Naturschätzen reichen Fränkischen Alb selten zu finden ist.

In direkter Nachbarschaft von St. Martin wurde im Mittelalter einer der Wehrtürme zur Michaelskapelle umgebaut. Geht man nicht die Treppe hinauf in den Sakralraum, sondern eine Art Rampe hinunter zum Untergeschoss, wartet eine weitere Überraschung: Ein Raum über und über gefüllt mit Schädeln und Knochen. Die Gebeine von etwa 2.500 Verstorbenen ruhen hier seit dem späten Mittelalter aufgebahrt, um auf dem kleinen Friedhof vor St. Martin Platz für neue Bestattungen zu schaffen. Das Gebeinhaus ist eines von nur noch drei erhaltenen Karnern in Bayern.

Bernhard Eder, Heimatkundler und passionierter Wanderer, stellt in seinem Buch „Unbekanntes Mittelbayern – Entdeckungsreisen zu verborgenen Schätzen“ die 50 beeindruckendsten Entdeckungen vor, die ihm auf seinen zahlreichen Reisen begegneten.

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