Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege Band 15: Römische Vici und Verkehrsinfrastruktur in Raetien und Noricum

Sehr geehrte Damen und Herren,

Römische Vici und Verkehrsinfrastruktur in Raetien und Noricum
Seebruck, römisch Bedaium, am Chiemsee (Luftaufnahme: Johann Zimmermann, Prien)

„unter ,Vicus‘ werden […] alle Siedlungsagglomerationen verstanden, die einerseits über landwirtschaftliche Einzelbetriebe hinausgehen bzw. ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt nicht primär im Agrarbereich haben, andererseits über kein Stadtrecht verfügen, also weder municipia noch coloniae darstellen.“ Zahlreiche Niederlassungen dieser Art, die sich irgendwo zwischen Dorf und Stadt einordnen lassen, entstanden in Mitteleuropa vor allem im Zuge des Ausbaus der Römerstraßen. In der modernen Forschung wird der Siedlungstypus des vicus daher als typisch für die nördlichen Provinzen bezeichnet.

 

Die Provinz Raetien und das Netz der Hauptstraßen um 180 n. Chr.
Die Provinz Raetien und das Netz der Hauptstraßen um 180 n. Chr.

Tatsächlich gab es in den ehemaligen nördlichen Provinzen Raetien und Noricum nur wenige bedeutende Großstädte. Die Bedeutung der Provinz war in ihrer geografischen Lage begründet: Hier, im „Vorhof“ Italiens, verbanden alle wichtigen Pässe des mittleren Alpenraums die bedeutenden italienischen Städte mit den beiden nordalpinen Ost-West-Handels- und Reiserouten. Im Zuge des Ausbaus dieser Trassen legten die Römer in Raetien ein weitverzweigtes Wegesystem an. Um 180 n. Chr. war die Provinz  von einem engmaschigen Verkehrsnetz durchzogen.

 

Pocking, „Rekonstruierter“ Vicus in der Dauerausstellung „Drehscheibe Pocking“, Gemälde von Brigitte Quast
Pocking, „Rekonstruierter“ Vicus in der Dauerausstellung „Drehscheibe Pocking“, Gemälde von Brigitte Quast

Zahlreiche der entlang der Verkehrswege entstandenen vici wurden im Laufe der Zeit aufgegeben und verschwanden. Manche aber überstanden nicht nur die Jahrhunderte, sondern wurden sogar zur Keimzelle moderner Großstädte. Auch die früheren Römerstraßen sind nicht spurlos verschwunden, obwohl an einigen Stellen lediglich geringe Geländeveränderungen auf die antiken Handels- und Reisestrecken hinweisen. Oft kaum mehr mit bloßem Auge erkennbar, folgen heute nicht selten moderne Teerstraßen einem Verlauf, den einst die Römer festgelegt hatten. Die Spuren dieser Epoche haben sich jedoch unauslöschlich ins Land gegraben.

 

Der 15. Band der Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege „Römische Vici und Verkehrsinfrastruktur in Raetien und Noricum“ beschäftigt sich mit der Bedeutung der vici als Handels- und Handwerkszentren. Neben einer Abhandlung zum Begriff „vicus“ und Beiträgen zur Architektur dieser frühen für die nördlichen Provinzen so typischen Siedlungsform, vereint der Band Artikel zur Onomastik und zu neuesten Grabungsergebnissen.