Bayerische Geschichte(n), 17/2016: Wilde Raubritter und schlotternde Mesner

Die Mönche aus dem Kloster Tegernsee flehen und zetern umsonst: Die Raubritter vom Fischerfleck haben den Abt im Käfig und wollen ihn nur gegen einen gewaltigen Haufen Gulden eintauschen.
Die Mönche aus dem Kloster Tegernsee flehen und zetern umsonst: Die Raubritter vom Fischerfleck haben den Abt im Käfig und wollen ihn nur gegen einen gewaltigen Haufen Gulden eintauschen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie viel Wahrheit steckt in den Sagen, die von einer Zeit erzählen, zu der in Bayern noch Hexen, Geister und der Teufel höchstpersönlich ihr Unwesen getrieben haben sollen? Die meisten der alten, lange nur mündlich überlieferten Geschichten tragen einen wahren Kern in sich und sind fest mit einem bestimmten Ort verbunden. Auch die Sagen aus dem Tegernseer Tal öffnen für den aufmerksamen Leser ein Fenster in die Vergangenheit der Region: Im Ringsee, einer Bucht im südwestlichen Tegernsee, liegt die einzige Insel des oberbayerischen Gewässers, die Ringseeinsel. Früher, als sie noch den Namen Fischerfleck trug, sollen sich wilde Raubritter auf dem kleinen Eiland eine mächtige Wasserburg erbaut haben. Kein Fuhrwerk war mehr sicher, sie stahlen sogar das Vieh von den Weiden rund ums Kloster Tegernsee. Zuletzt fiel ihnen der Abt in die Hände. Das Lösegeld von sage und schreibe 600 Gulden brachte den rauen Gesellen aber kein Glück: Ein Erdbeben soll ihre Burg restlos zerstört und alle, die sich darin befanden, erschlagen haben. Bis heute ist die Insel unbewohnt geblieben.

Gegen den Teufel hilft nur himmlischer Beistand: Der Mesner von Föching ließ die Kirchenglocken lautstark erklingen und rettete die Gemeinde vor der Überschwemmung.
Gegen den Teufel hilft nur himmlischer Beistand: Der Mesner von Föching ließ die Kirchenglocken lautstark erklingen und rettete die Gemeinde vor der Überschwemmung.

Schaurig soll es anno dazumal in einer finsteren Novembernacht in Föching zugegangen sein, als der Mesner auf dem Weg in die Kirche war. Da hinkte ihm auf der menschenleeren Dorfstraße eine kohlschwarze Gestalt entgegen – einen Pferdefuß zog sie nach und stank sogar gegen den Wind nach Geißbock und rußigem Feuer. Der Leibhaftige selbst lief durch Föching, hatte ein Mordstrumm Schaufel über der Schulter und erzählte dem schlotternden Mesner von der Arbeit, die er in dieser Nacht noch fertigbringen wollte. Ein großer Graben sollte ausgehoben werden, von Tölz her bis über Holzkirchen, auf dass in der so zur Mangfall umgeleiteten Isar zur Freude des Teufels das ganze Tal ertrinken würde. Erst um drei Uhr in der Früh kam dem Mesner die rettende Idee: die geweihten Glocken! Als er sie läutete, dass der ganze Kirchturm wackelte, musste der Beelzebub wild fluchend und unverrichteter Dinge wieder zur Hölle fahren. Das 23 Kilometer lange, heute trockene Tal vom Tölzer Land bis zum Mangfallknie heißt immer noch Teufelsgraben.

Jede der Gemeinden und Ortschaften im Tegernseer Tal besitzt ihre eigenen Überlieferungen und Legenden, die der Region ihre mystische Tiefe geben. Vielleicht war es diese besondere Verbindung zur Vergangenheit, die den Künstler und Pädagogen Sepp Mohr (1899 – 1981) dazu anspornte, die Sagen seiner Heimat zu sammeln, nachzuerzählen und mit viel Gespür für die Atmosphäre der alten Geschichten mit Holzschnitten zu illustrieren. Lange Zeit war es vergriffen, im Volk Verlag wird es nun neu aufgelegt: Das Buch „Tegernseer Sagen. Nacherzählt und mit Holzschnitten illustriert von Sepp Mohr“ vereint die schönsten Überlieferungen der Region.